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Sparen für Deutschland? Europäische Wirtschaftsregierung allein keine Lösung

Vor dem europäischen Krisengipfel am 09. Dezember 2011 liefen sich die internationalen Medien warm. Vor allem die englischsprachige Presse forderte jenen "großen Wurf" von Deutschland, den sie für Großbritannien auch nur zu denken für abwegig hielt. Somit war so oder so der Schuldige bereits ausgemacht: eine Vertragsrevision ein deutsches Diktat, das Ausbleiben einer nachhaltigen Lösung deutscher nationalistischer Kleingeist. Nur unbegrenzte Kaufgarantien für Staatsanleihen aller Euroländer durch die EZB hätten als späte Einsicht auf Nachsicht dieser Medien hoffen können.

Natürlich ist diese Position, die mit zunehmender Aggression vertreten wird, nicht ganz uneigennützig: erstens sind britische Banken und Versicherungen an der Sicherung ihrer Investitionen in den Krisenländern interessiert; die langfristige Stabilität der Eurozone ist da weniger wichtig. Zweitens fürchtet Großbritannien, durch eine engere Integration der Eurozone in die europäische Peripherie gedrängt zu werden; man scheut sich nicht mehr, nationale Ressentiments in Südeuropa aufzugreifen, um diese Länder mit der Hoffnung auf einen weicheren Konsolidierungspfad Kerneuropa abspenstig zu machen. Es fragt sich, wie lange man es sich noch leisten sollte, britischen Printmedien das Monopol englischsprachiger Berichterstattung zu überlassen.

Gleichwohl ist die Kritik in einem Punkt berechtigt: Europa bleibt nach wie vor eine Antwort für das kurzfristige Management der Krise schuldig. Wirtschaftsregierung und Eurobonds – beide Konzepte sind erst mittelfristig umsetzbar. Dem Rettungsfonds stehen erhebliche Probleme gegenüber. Und vor allem: die abstrakten Governance-Konzepte dringen nicht konkret zum Kern der Krise vor: der notwendigen dringenden Konsolidierung nationaler Haushalte. So bleibt in der Tat nur die Möglichkeit von EZB-Interventionen um die Lage kurzfristig zu stabilisieren.

Linke Populisten täuschen die Möglichkeit einer schmerzlosen Erholung vor. Man wolle die Konjunktur nicht zu abrupt abkühlen wird erklärt. Doch ein Staat kann sowohl sparen, als auch seine Einnahmen recht konjunkturunschädlich dadurch erhöhen, dass er Immobilien, Erbschaften und Umsätze (MwSt) besteuert oder Staatseigentum verkauft. Die wirtschaftliche Stimmung lässt sich zudem nicht nur durch Investitionen, sondern mindestens genauso gut durch Markt- und Verwaltungsreformen aufhellen. Wir beobachten weniger ein Konjunkturproblem als eines der Wettbewerbsfähigkeit. Die erheblichen Handels- und Haushaltsdefizite einiger Länder bleiben hartnäckig bestehen.

Die Solidarität der Populisten ist auf Pump aufgebaut, denn Eurobonds und Konjunkturprogramme sind eben nicht die ehrlichen Transfers als die sie dargestellt werden. Aber wie, wenn nicht durch eine interne Abwertung und weniger Konsum will man neue Investitionen finanzieren? Wie sonst will man die Handelsdefizite schnell reduzieren? Wie will man verhindern, dass das Leben über die eigenen Verhältnisse Tag für Tag mit Darlehen des EFSF und über das EZB-Liquiditätssystem finanziert wird? In letzterem sind die Forderungen der Bundesbank an Italien allein in drei Monaten um 100 Milliarden Euro angestiegen. Die Bundesbank als Arm der EZB hält allein über dieses sogenannte "Target-System" mittlerweile die unglaubliche Summe von 450 Milliarden Euro an Forderungen vor allem an Irland, Italien, Griechenland, Spanien und Portugal; das entspricht fast 20 Prozent des deutschen BNP (früher BSP),Tendenz: rasant steigend. Zu allem kommen noch die laufenden EZB-Interventionen am Sekundärmarkt hinzu. Dies sind Größenordnungen, bei denen sich die politische Abhängigkeit der Schuldner von den Gläubigern in eine Abhängigkeit der Gläubiger von den Schuldnern umkehrt.

Politischer Druck statt Markt?

Statt die Reformanreize für die Krisenländer nun zu verstärken, zielt die von Frankreich und Deutschland angestrebte "automatische Wirtschaftsregierung" auf politischen Druck statt auf den Markt, der mit kurzfristigen Liquiditätshilfen für die betreffenden Länder gezähmt werden soll. Wird es helfen? Nun, seit zwei Jahren haben wir eine europäische Wirtschaftsregierung auf Ebene der Staats- und Regierungschefs. Zwei Jahre lang sehen nun alle dem Abgrund ins Auge. Und seit zwei Jahren tut sich bei der Haushaltskonsolidierung zu wenig. Die Senkung der Defizitprognose Portugals von 9,5 auf 7,5 Prozent zu Anfang dieses Jahres wurde als „schöner Erfolg für Portugal“ gefeiert, kurz darauf kam das Land unter den Rettungsschirm. Auch in Italien kam es nicht durch die europäische Wirtschaftsregierung zu ersten Reformen, sondern erst als die Finanzmärkte unruhig wurden – dann aber reagierte die Regierung innerhalb weniger Tage. Und Belgien steuerte über anderthalb Jahre ohne Regierung auf eine Haushaltskrise zu, die EU drohte gar Strafzahlung an – nichts passierte. Dann wurde die Bonität Belgiens an einem Freitagnachmittag herab gestuft. Am Samstagmittag stand die Einigung über den Sparhaushalt, 3 Tage später gab es eine Regierung.

Hoffnungen, die Europäische Kommission könne als unabhängige Agentur effektiver sein als Europäische Räte im Angesicht der Krise sind reines Wunschdenken: Zu vermuten, sie würde sich im Zweifel gegen eine Mehrheit von Mitgliedstaaten stemmen wollen oder können, verkennt ihre Rolle und ihr Selbstverständnis. Und diese Mehrheit wird schnell auch solidere Länder einschließen: jeder steht mal im Wahlkampf, die Bundesregierung hat es gerade mit ihren Steuererleichterungsvorschlägen trotz eigener Schuldenquote von 80 Prozent vorgemacht. In der Krise hat sich die Kommission zudem weder als unabhängig noch als kompetent erwiesen. Ohnehin hat der von der EU-Kommission angeführte Bruch des Geistes der No-Bail-Out Klausel des EU-Vertrages gerade bewiesen, dass deutsche Vertragsgläubigkeit von der politischen Realität im Zweifel überholt wird – vor allem wenn eine "Fiskalunion" in Südeuropa als Diktat angesehen würde. Wer noch an eine europäische Wirtschaftsregierung glaubt, und sei sie "automatisch", muss das erst einmal neu begründen.

Die Gefahr für die Konsolidierung wird durch eine europäische Wirtschaftsregierung sogar eher größer als kleiner. Denn „europäische Wirtschaftsregierung“ heißt heute auf griechisch, portugiesisch, spanisch, italienisch und vielleicht bald auch auf französisch „Sparen für Deutschland“. Es ist völlig normal, dass jede nationale Öffentlichkeit die Krise nach dem eigenen Interesse deutet. In Südeuropa sieht sich eine wachsende Gruppe aus Linken und Rechten als Opfer der Krise, die besonnene Mitte schrumpft. Die Bundeskanzlerin ist dort die vermutlich meistgehasste Politikerin. Denn das Prinzip „Shoot the Messenger“, gemäß dem ja auch Merkel selbst im Mai 2010 Spekulanten für die Krise verantwortlich machte, bleibt natürlich bestehen, nachdem die Eurozone nun selbst in großem Stil die Rolle des Gläubigers von den Spekulanten übernommen hat.

Für den Konsolidierungskurs in den Krisenländern ist dies verheerend: das Sparen zugunsten anderer, als „reicher“ wahrgenommenen Länder ist politischer Selbstmord: welcher Politiker wird sich gern als „Agent“ einer ausländischen Macht darstellen lassen? Dies ist das zentrale Paradox: je mehr die Nordländer in Vorleistung gegenüber den Krisenländern treten, desto abhängiger werden sie und desto schwieriger wird die Konsolidierung. Die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit eines Landes wird um den Preis eines GAUs verschoben, der den Euro und sogar die EU sprengen könnte. Beispiel Italien: Der italienische Premierminister Mario Monti hat keine eigene parlamentarische Mehrheit. Es ist völlig unklar, wie er ein ernsthaftes Reformprogramm durchsetzen will, wenn er nicht den Druck der Märkte auf seiner Seite weiß. Gäbe es weitreichende Garantien, z.B. durch die EZB, wäre Montis Reformprogramm mausetot.

Lettland hat gezeigt, dass ein de-facto-Euroland (der Lat ist an den Euro gekoppelt) durchaus eine interne Abwertung schaffen kann. Nach einem Wirtschaftseinbruch, der mit 18 Prozent ein Vielfaches des griechischen war und mit Reformmaßnahmen, die eine 40 prozentige Kürzung der öffentlichen Gehälter beinhalteten, konnte das Land innerhalb kürzester Zeit zu neuem Wachstum zurückfinden. Die Tatsache, dass sich die öffentliche Diskussion der europäischen Medien nicht auf solche schnelle Konsolidierung, sondern auf die möglichen Retter konzentrieren, sagt alles über den Unterschied zwischen Lettland und Griechenland. Die Sicht der Krise als Naturereignis macht die Defizitländer zu Opfern und die zögerlichen – und selbst angeschlagenen Nordeuropäer zu Tätern. Der Druck auf die EZB erhöht sich.

EZB Interventionen und Inflationsgefahr

Aber man kann es nicht oft genug wiederholen: Finanzmärkte sind Zukunftsmärkte. Ein Staat, der glaubwürdig versichern kann, dass er seine Anleihen zukünftig zurückzahlen kann, wird sich auf mittlere Frist immer günstig mit Kapital versorgen können. Ein glaubwürdiges Konsolidierungsprogramm, das Reformen nicht in die Zukunft verschiebt, kann die Zinsen öffentlicher Anleihen sofort senken. Umgekehrt kann schon die Erwartung, dass die EZB massiv an den Anleihemärkten intervenieren würde, das Zinsniveau in Erwartung steigender Inflation sofort erhöhen und die Haushaltslage in allen Euroländern weiter zuspitzen.

Man sollte Inflation nicht leichtfertig gegen Wachstum und Beschäftigung ausspielen. Wer den deutschen Wirtschaftserfolg nicht vor allem einem "deutschen Wesen" zuschreiben will, muss zugeben, dass gerade die Preisstabilität ein zentraler Erfolgsfaktor für die Wirtschaft war, die sich somit besonders günstig Kapital beschaffen konnte. Vergessen wir nicht: die Möglichkeit der Teilnahme aller EU-Mitgliedstaaten an diesem Vorteil war und bleibt die wichtigste Raison d´Ètre einer Währungsunion so unterschiedlicher Ökonomien. Hieran zu rütteln würde den Wohlstand und die politische Existenz der Union langfristig untergraben.

Banken re-kapitalisieren!

Das Krisenmanagement der Bundesregierung ist gefährlich, weil es auf Zeit spielt, denn diese arbeitet gegen sie. Eine Zahlungsunfähigkeit einiger südeuropäischer Länder würde sich über das europäische Bankensystem auch auf Deutschland ausbreiten. Das europäische Bankensystem muss also im europäischen – und schon im eigenen – Interesse dringend stabilisiert werden. Vollmundiges Auftrumpfen zeigt eher, dass man die eigene Verhandlungsposition überschätzt. Und Deutschland überschätzen heißt, die systemische Krise zu unterschätzen.

Die europäischen Banken sind sowohl Eigentümer riskanter öffentlicher Anleihen als auch im internationalen Vergleich unterkapitalisiert: bis Mitte 2012 sollen sie lediglich 9 Prozent Kernkapital aufbauen; die lange Rekapitalisierungsfrist für die europäischen Banken führt überdies bisher nicht zu einer Kapitalerhöhung sondern zu einer Bilanzverkürzung mit den negativen Auswirkungen auf die Realwirtschaft. Diese niedrige Eigenkapitalquote (bei türkischen Banken liegt dieser Wert aktuell bei 16 Prozent, England und die Schweiz streben noch höhere Werte an) bedeutet eine extrem hohe Ansteckungsgefahr, die von einzelnen Mitgliedstaaten für die ganze EU ausgehen kann. Sie macht das „Systemische“ an der gegenwärtigen Krise aus.

Gleichwohl hat die Bundesregierung bisher kaum etwas unternommen, um dieser Ansteckungsgefahr vorzubeugen; man scheint abwarten zu wollen, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist, um es dann wie bereits 2008 mit staatlichen Darlehen ins Trockene zu ziehen. Das ist ungerecht und kurzsichtig. Ungerecht, weil dies dem Steuerzahler alle Risiken anlastet, ohne ihn an den Kurschancen der geretteten Institute zu beteiligen. Kurzsichtig, weil eine vorausschauende Politik versuchen muss, einer erneuten Bankenkrise auch in anderen Ländern vorzubeugen – wo dies ein Staat nicht kann, mit europäischen Darlehen. Der europäische Rettungsfonds ermöglicht dies bereits. Er sollte genutzt werden.

Wir brauchen zwei Schritte: zunächst muss nationales Recht die Möglichkeit einer Zwangs-Rekapitalisierung mit neuem Eigenkapital eröffnen. Dies ist mit dem überragenden öffentlichen Interesse zu rechtfertigen. Da öffentliche Anleihen bisher gar nicht in die Berechnung der Eigenkapitalquoten einfließen, sollte sich zweitens diese Rekapitalisierung ausschließlich auf die Abdeckung dieser Risiken beziehen. So könnte beispielsweise eine Eigenkapitalanforderung von 0,5 oder 1 Prozent vorgeschrieben werden. Dies würde die vom Europäischen Rat im Oktober beschlossene und sich auf private Risiken beschränkende Kapitalanhebung ergänzen. Um negative Auswirkungen auf die Anleihenmärkte zu verhindern, müsste diese Anforderung – ähnlich wie bei den Ratsbeschlüssen – auf in der nahen Vergangenheit liegende Portfolios bezogen werden.

Bankaktionäre werden sich natürlich dagegen wehren, denn ihre gegenwärtige Situation ist komfortabel, sofern sie als systemrelevant eingeschätzt werden: im Zweifelsfalle zahlt der Steuerzahler. Eine Kapitalerhöhung bedeutet eine Verwässerung der eigenen Einlagen bzw. eine höhere Haftung im Ernstfall. Genau das muss aber das Interesse des Steuerzahlers sein. Deutschland braucht eine rechtliche Voraussetzung hierfür. Zur Risikobegrenzung gehören zudem Verpflichtungen zur Risikostreuung: öffentliche Anleihen sollten deutlich stärker in die Risikoberechnung der Banken einbezogen werden. Außerdem gehört dazu, dass die Geldinstitute nicht mehr als einen bestimmten Anteil, z.B. 20 Prozent ihrer Bilanz, mit einzelnen Risiken, wie den Anleihen „ihrer“ Regierung halten dürften.

Die Krise als mögliche Demokratiekrise

Sollte die gegenwärtige, hochriskante Strategie der Bundesregierung scheitern, gibt es ohne eine rechtzeitige Rekapitalisierung der Banken keinen wirksamen Schutz Deutschlands vor der Krise. Eine Bankenrettung wie 2008 würde wiederum eine massive Beteiligung der Steuerzahler an den Risiken, aber nicht an den Chancen dieses Sektors und damit eine sozial unerträgliche regressive Umverteilung beinhalten. Die Rechung hierfür würde interpretiert als Sparen für Europa und Sparen für die Banken. Nationale und extrem Linke würden von der Radikalisierung der politischen Landschaft profitieren, die "Europaparteien" in politische Haft genommen. Die Auseinandersetzung um die Finanzierung der Defizite der Eurozone ist damit nicht zuletzt ein Streit um die politischen Kosten.

Die Krise ist kein Naturereignis. Sie ist ein Glaubwürdigkeitsproblem, das sich nur von den Schuldnern beheben lässt. Neue Verträge ändern daran nichts. Sie sind nur die politische Unterstützung wert, die sie in den Mitgliedstaaten genießen. Erzwungene Vertragsänderungen sind wertlos. An deutscher Solidarität kann Europa nicht genesen. Deutschland als Gläubiger Europas sollte selbst für Linke eine Horrorvorstellung sein. Es ist besser, heute zu unrecht von Europa kritisiert zu werden, als morgen zu recht.

Eurobonds: Solidarität auf Pump

Die Europäische Kommission hat am 23. November 2011 Vorschläge zur Einführung von sog. „Stabilitätsanleihen“ (nennen wir sie trotzdem „Eurobonds“) vorgelegt. (Hatte man bisher geglaubt, Staatsanleihen seien sicher, so sind die Eurobonds nun offensichtlich „wirklich ganz, ganz sicher“.) Gedacht ist an drei Optionen: 

a) Tausch aller nationalen Schulden in der Eurozone gegen neue Stabilitätsanleihen, die von allen gemeinsam garantiert werden („joint and several“),

b) die Vergemeinschaftung von 40 Prozent bis 60 Prozent der Staatsschulden, wobei der Rest national verbleibt und 

c) gemeinsame Anleihen, wobei aber jeder Staat nur für seinen Anteil haftet; bei der letzten Option ist der Zinsvorteil so gering, dass nicht einmal die Kommission an sie zu glauben scheint. Man erhofft sich so insgesamt eine Vertiefung des Marktes von in Euro gehaltenen Anleihen, ein „Liquiditätsvorteil“ und eine – durchschnittliche – Kostensenkung der öffentlichen Schuld. Staaten wie Deutschland, die für ihre Staatsschuld nun mehr zahlen müssten, könnten dafür von den anderen kompensiert werden.

Die Idee gemeinsamer Anleihen setzt voraus, dass davon nicht geringere sondern stärkere Anreize für solide Haushaltspolitik ausgehen, damit sich niemand auf Kosten anderer verschulden kann. Optionen a und b würden aber nun ganz offensichtlich gegen das Vertragsverbot gegenseitiger Haftung verstoßen. Daher hält selbst die Kommission die Notwendigkeit einer Vertragsänderung für „wahrscheinlich“. Die lässige Art, in der einige südeuropäische Politiker aber für Eurobonds ohne Vertragsänderung eintreten, wird sie unter denen, die sich letztlich für die Vertragtreue jener mithaften sollen, nicht beliebter machen.

Auf jeden Fall unbegründet ist die verbreitete Hoffnung, Eurobonds könnten den Königsweg aus der Krise darstellen. Schließen wir die dreiste Option a, die es weder im deutschen noch dem amerikanischen Föderalismus gibt sowie Option c aus. Option b würde den Eurobonds laut Kommission einen bevorzugten Status einräumen. So wie sich die Garantien in den Eurobonds konzentrieren würden, bliebe das gesamte Länderrisiko in den weiterhin national begebenen Anleihen hängen. Sicheres Ergebnis für letztere: zweistellige Zinssätze. Was die Kommission zutreffend als besonderen Konsolidierungsanreiz darstellt, ändert also an der Gesamtzinslast der Krisenländer recht wenig. Das heisst im Umkehrschluss aber, dass man auch die gegenwärtigen hohen Zinsen als wichtigen Konsolidierungsanreiz ansehen muss. Wer ihn also aufgibt, ohne einen vergleichbaren Ersatz anzubieten, verfolgt andere Zwecke.

Kurz: für einen Zinsvorteil von zwischen 0,1 bis 0,4 Prozent, der manchmal innerhalb eines Tages durch die Ankündigung einer politischen Entscheidung erreicht wird, scheinen Eurobonds-cum-Vertragsänderung absurd aufwändig. Dennoch: der bilaterale, EU-vertragsunabhängige Zusammenschluss der interessierten Länder Spanien, Italien und Portugal zur Erzielung des Liquiditätsbonus ohne Vertragsänderung steht nichts im Wege. Ein Erfolg des Projektes wäre sicherlich wünschenswert und könnte auch weitere Staaten ins Boot locken – freiwillig.


Rainer Emschermann ist Volkswirt und lebt in Brüssel. 
Der Artikel gibt ausschließlich die Meinung des Autors wider.